Abstammung
Unsere Hausmeerschweinchen stammen vom Gebirgsmeerschweinchen (Cavia aperea cutleri) ab, die in den grasreichen Hochebenen und Buschsteppen der südamerikanischen Anden bis in 4200 Metern Höhe leben. Sie bewohnen dort Erdhöhlen in kleinen Familiengruppen, die aus einem Männchen, mehreren Weibchen und Jungtieren bestehen. Wildlebende Meerschweinchen sind dämmerungsaktiv, ernähren sich von Gräsern, Kräutern und Wurzeln und flüchten bei Gefahr in ihre Höhlen oder verfallen in Schreckstarre. |
Alle Zähne des Meerschweinchens wachsen lebenslang (pro Monat ca. 5-6 mm) und sind darum auf eine ständige Abnutzung angewiesen. Die Schneidezähne dienen zur Aufnahme der Nahrung. Die Backenzähne sind für den eigentlichen Kauvorgang zuständig, indem das Futter durch Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen des Unterkiefers fein zermahlen wird. Eine ausreichende Zahnabnutzung ist nur bei grobstrukturiertem, rohfaserreichen Futter (vor allem Heu, aber auch Gras) gegeben. Der Magen der Meerschweinchen ist einhöhlig, schwach bemuskelt und sehr dünnwandig. Der Weitertransport der Nahrung aus dem Magen funktioniert deswegen nur, wenn der Mageninhalt durch neu aufgenommenes Futter in den Darm weitergeschoben wird. Um die Verdauung intakt zu halten, müssen die Meerschweinchen ca. 60-80 kleinere Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen. Bei zu großen Futterabständen und -mengen kann es zur Magenüberladung oder sogar zum Riss der Magenwand kommen. Aufgenommenes Futter kann nicht erbrochen werden und muss darum den ganzen Magendarmtrakt passieren. Da es von der Aufnahme bis zur Ausscheidung 4 bis 5 Tage dauert, kann verdorbenes Futter längere Zeit Probleme verursachen. Im Blinddarm entsteht durch Mikroorganismen der sehr vitaminreiche Blindarmkot, der meist nachts ausgeschieden und vom gesunden Meerschweinchen direkt vom After aufgenommen wird. Vitamin C kann vom Meerschweinchen nicht selbst hergestellt werden. Es muss, da die Mengen im Heu nicht ausreichen, durch Grünfutter oder in Zeiten erhöhten Bedarfs in Form von Tropfen oder Pulvern zugeführt werden.
Das wichtigste Nahrungsmittel für das Meerschweinchen ist Heu, das – ebenso wie frisches Wasser – den ganzen Tag zur Verfügung stehen muss. Heu ist sehr rohfaserreich, energiearm und enthält wichtige Nähr- und Ballaststoffe. Für einen ausreichenden Abrieb der Backenzähne und eine geregelte Verdauung ist Heu als Hauptfutter der Meerschweinchen zwingend notwendig. Dabei muss auch auf die Qualität geachtet werden. Gutes Heu riecht aromatisch, ist grünlich und enthält Kräuter, Gräser und Blüten. Muffiger oder schimmeliger Geruch, Staubbildung oder eine ausgebleichte Färbung sprechen für schlechtes Heu, das nicht verfüttert werden darf. Ebenso sollte man bei gekauftem Heu im Beutel darauf verzichten die letzten Reste zu verfüttern, da sich am Boden die abgebrochenen kurzen Heuhälmchen sammeln, die zur Verstopfung führen können. Da das Meerschweinchen – wie der Mensch – kein Vitamin C herstellen kann und Heu nicht ausreichende Mengen an diesem Vitamin enthält, ist auch die tägliche Gabe von Grünfutter unumgänglich. Alle bisher nicht gefütterten Sorten müssen jedoch anfangs immer in kleinen Mengen angeboten werden, damit sich der Verdauungstrakt auf sie einstellen kann. Verträgt das Meerschweinchen das neue Grünfutter, kann die Menge gesteigert werden. Geeignet sind Karotten, Äpfel, Gurken, Paprika, Karottenkraut, Gras, Löwenzahn usw. Salat darf wegen dem hohen Nitratgehalt nur in kleinen Mengen gefüttert werden. Er sollte ungespritzt sein und vor dem füttern gewaschen und abgetrocknet werden. Auch Petersilie und Luzerne dürfen wegen der Gefahr von Harngriesbildung nur in kleinen Mengen gefüttert werden. Vorsicht ist auch bei Kohlsorten geboten, da sie Blähungen verursachen können. Nicht gut geeignet für die Ernährung sind die meisten Futtermittel die im Zoofachhandel oder Supermarkt als Meerschweinchenfutter angeboten werden, weil sie hauptsächlich aus Getreide bestehen. Getreidekörner sind sehr energiereich, rohfaserarm und werden zudem oft gepoppt und grün oder orange eingefärbt, um sie gesund und vielfältig aussehen zu lassen. Zudem enthalten die Futtermischungen oft Bäckereinebenerzeugnisse (Abfall aus der Backindustrie), Zuckerrohrmelasse (Abfall aus der Zuckerindustrie) und manchmal sogar tierische Nebenerzeugnisse (Abfall aus Fleisch- und Fischindustrie). „Leckerlies“ wie Joghurtdrops, Knabberstangen, Waffeln usw. enthalten Inhaltsstoffe wie Milchpulver, Honig, Zucker, Mehl oder tierisches Eiweiß, die in der Meerschweinchenernährung nichts zu suchen haben. Insgesamt haben die Körnermischungen und Snacks mehrere Nachteile:
Körner werden im Maul nicht zermahlen sondern nur kurz zwischen den Backenzähnen zerquetscht und dann abgeschluckt. Da bei reichlicher Körnerfütterung meist wenig Heu gefressen wird, kann es wegen mangelnder Abnutzung zu überlangen Zähnen mit Zahnspitzen oder Brückenbildung kommen. Dadurch können Abszesse entstehen, oder die Meerschweinchen verhungern, da sie durch den Druck auf die Zunge nicht mehr schlucken können.
Der Pfeil zeigt überlange Backenzähne im Unterkiefer dieses Meerscheinchens, die zu einer Brückenbildung über der Zunge geführt haben. Solche nicht abgenutzten Zähne behindern den gesamten Kau- und Schluckmechanismus des Meerschweinchens. In der Folge kommt es oft zu Verdauungsstörungen. | |
Hier sieht man eine Zahnspitze
Die Schneidezähne des Meerschweinchens werden normalerweise bei der normalen Kaubewegung abgenutzt und scharf gehalten. Bei Kieferfehlstellungen, falscher Ernährung oder als Folge von Backenzahnfehlstellungen können sie überlang wachsen. Der Pfeil zeigt, wie weit in die Maulhöhle diese Zähne wachsen können. Hier behindern sie den Kaumechanismus und können zu Verletzungen an der Zunge und der Maulschleimhaut führen |
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Die Folge unbehandelter Zahnfehlstellungen (weißer Pfeil: die Schneidezähne) ist dann oft, dass die Zahnwurzeln den Kiefer durchstoßen (roter Pfeil) und es in der Folge zur Abszessbildung kommt (wolkiges Gewebe beim gelben Pfeil). Diese Abszesse bekommen auch wir trotz intensiver Therapie nicht immer in den Griff.
(Es handelt sich um das Röntgenbild eines Kaninchens, für die das gleiche gilt). |
- Obwohl diese Futtermittel für den Verdauungstrakt nicht so gut geeignet sind, werden oft gerade bei Knabberstangen und Snacks zu große Mengen aufgenommen (ähnlich wie bei Kindern und Schokolade). Es kann zu Magenüberladung, Magenwandriss, Trommelsucht, Verstopfung oder Durchfall kommen.
- Leicht verdauliche Kohlenhydrate und Zucker führen zu einer Ansäuerung des Darminhaltes und damit zu einer Schwächung der normalen Darmflora. Jede kleine Erkrankung kann dann bei solchen Meerschweinchen durch ein „Kippen“ der Darmflora zu einer massiven Verdauungsstörung und sogar zum Tod führen.
- Die sehr kalorienreichen Futtermischungen und Snacks führen zu Übergewicht, Herz- und Leberverfettung, Bewegungsunlust und damit zu einer kürzeren Lebenserwartung.
Zusammenfassung
Den Meerschweinchen muss den ganzen Tag gutes Heu und frisches Wasser zur Verfügung stehen. Frisches Grünfutter sollte, nach Anfütterung in kleinen Mengen, 2 bis 3 mal täglich angeboten und das nicht gefressene bei der nächsten Fütterung wieder entfernt werden. Körnerfutter sollte entweder gar nicht oder nur in kleinen Mengen (max. 1-2 Teelöffel pro Tag und Tier) gegeben werden. Tiere, die ihr Leben lang Körner zur freien Verfügung hatten, müssen vorsichtig auf kleinere Mengen umgestellt werden. Auf Snacks, Joghurtdrops und Knabberstangen sollte man im Sinne der Tiere völlig verzichten.
Haltung
Meerschweinchen sind sehr gesellige, hochkommunikative Tiere, die nicht alleine gehalten werden sollten. Sowohl weibliche, als auch männliche Meerschweinchen können meist problemlos zusammen gehalten werden. Nur selten kommt es zu ernsthaften Streitereien. Meerschweinchen werden früh geschlechtsreif (Weibchen mit 4 – 10 Wochen, Männchen mit ca. 3-12 Wochen – ab ca. 300 g Körpergewicht). Bei einem Pärchen ist es ratsam das männliche Tier rechtzeitig zu kastrieren, um eine Meerschweinchenschwemme zu vermeiden. Frisch kastrierte Böcke können allerdings noch 4-6 Wochen nach der Kastration zeugungsfähig sein, und ein Weibchen kann sofort nach der Geburt seiner Jungen wieder erfolgreich neu gedeckt werden. Ein Kaninchen als Gefährte ist nur eine Notlösung für beide Seiten. Beide Arten haben eine sehr unterschiedliche Sprache und unterschiedliche Lebensgewohnheiten. Man kann zwar Kaninchen und Meerschweinchen zusammen halten, aber nur wenn es von jeder Tierart mindestens 2 Tiere sind und eine ausreichend große Fläche zur Verfügung steht. Meerschweinchen können im Haus aber auch ganzjährig draußen gehalten werden. Im Haus hält man sie am besten in einem Gitterkäfig mit Unterschlupfmöglichkeit. Dieser sollte an einer hellen, ruhigen und zugfreien Stelle (am besten nicht direkt auf dem Boden) stehen. Den Meerschweinchen sollte ausreichend Auslaufmöglichkeit unter Aufsicht (Gefahrenquelle: Kabel, giftige Pflanzen usw.!!) gewährt werden. Meerschweinchen vertragen auch extreme Temperaturen und können in unseren Breiten ganzjährig draußen gehalten werden. Im Sommer muss ihnen ein Sonnenschutz (Gefahr: Hitzschlag) und im Winter ein zugfreier, gut isolierter Stall (um das Einfrieren von Wasser und Futter zu vermeiden) mit genügend Einstreu zur Verfügung gestellt werden. Diese Tiere dürfen im Winter nicht zum Spielen ins warme Haus geholt werden (Gefahr: Klimaschock).
Krankheiten
Es ist wichtig seine Meerschweinchen gut zu beobachten, um Krankheiten möglichst im Anfangsstadium zu erkennen. Rechtzeitig behandelt kann man diesen doch sehr empfindlichen Tieren oft noch helfen. Günstig ist es die Meerschweinchen einmal wöchentlich auf der Küchenwaage zu wiegen, da ein Gewichtsverlust oft ein frühzeitiger Warnhinweis ist. Die Meerschweinchen sollten in diesem Fall bei uns vorgestellt werden, um die Ursache zu finden und zu beheben. Meerschweinchen erkranken oft an Augenentzündungen oder Schnupfen bis hin zur Lungenentzündung, da sie sehr zugluftempfindlich sind. Verletzungen und Knochenbrüche können bei diesen sehr schreckhaften Tieren zum Beispiel beim Springen vom Kinderarm entstehen. Des weiteren kommt es häufig zu Blasenentzündungen, teilweise mit Harngries, oder Hautproblemen mit oder ohne Juckreiz, die meist durch Hautpilze oder Parasiten verursacht werden. Ältere Tiere neigen zu Talgdrüsenzysten oder Tumoren. Weibliche Meerschweinchen entwickeln oft Eierstockszysten, die sich durch Haarausfall in den Flanken und Umfangsvermehrung des Bauchs äußern. Am häufigsten treten jedoch Verdauungsstörungen wie Durchfall, Blähbauch oder Bauchkrämpfe auf. Da der Verdauungstrakt sehr empfindlich ist, können Fütterungsfehler sehr ernsthafte Störungen verursachen (siehe oben). Aber auch eine schlechte oder fehlende Futteraufnahme deren Ursache eine andere Erkrankung (Zahnfehlstellung, Schmerzen, Schnupfen usw.) ist, kann zu massiven Problemen oder sogar zum Tod führen. Da die Aussichten auf Rettung bei frühzeitiger Behandlung größer sind, wird ein Meerschweinchen, das nicht mehr frisst von uns als Notfall angesehen. Darum sollten sie sich in solchen Fällen umgehend an uns wenden.
Wollen Sie noch etwas mehr über ihr Haustier erfahren, empfehlen wir Ihnen die Broschüre der Meerschweinchenhilfe e.V. „Wissenswertes über Meerschweinchen“. Sie enthält viele Tipps über Haltung, Pflege, Ernährung und Krankheiten. Sie ist bei uns für eine Schutzgebühr von 3,50 Euro erhältlich.