Unsere Hauskaninchen stammen alle, angefangen vom kleinen Zwergkaninchen mit 1 kg bis zum Deutschen Riesen mit 8 kg, vom europäischen Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) ab. Wildkaninchen sind Grabtiere und Höhlenbewohner, ihre Ernährung besteht hauptsächlich aus Gräsern und Kräutern, Körner stehen kaum zur Verfügung. Da sich der Verdauungstrakt des Hauskaninchens nicht von dem des Wildkaninchens unterscheidet, sollte man sich bei der Fütterung an der Nahrung der wilden Verwandten orientieren.
Alle Zähne des Kaninchens sind wurzeloffene Zähne, die lebenslang permanent wachsen. Die Schneidezähne dienen zum Abbeißen und zum Nagen, die Backenzähne zum Zerkleinern und Mahlen des aufgenommenen Futters. Dabei werden sie durch Vorwärts- Rückwärtsbewegungen (Schlittengebiss) gegeneinander gerieben und dadurch auch abgeschliffen. Die Zähne wachsen pro Jahr ca. 5-10 cm. Je älter das Kaninchen desto schneller wachsen auch die Zähne. Eine ausreichende Abnutzung der Schneide- und Backenzähne ist nur gewährleistet, wenn eine sehr rohfaserreiche, langfasrige Nahrung angeboten wird. Der Magen der Kaninchen ist einhöhlig, schwach bemuskelt und sehr dünnwandig. Der Weitertransport der Nahrung aus dem Magen funktioniert deswegen nur, wenn der Mageninhalt durch neu aufgenommenes Futter in den Darm weitergeschoben wird. Um die Verdauung intakt zu halten, müssen die Kaninchen deswegen ca. 60-80 kleinere Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen. Bei zu großen Futterabständen und -mengen kann es zur Magenüberladung oder sogar zum Riss der Magenwand kommen. Aufgenommenes Futter kann nicht erbrochen werden und muss darum den ganzen Magendarmtrakt passieren. Da es von der Aufnahme bis zur Ausscheidung 4 bis 5 Tage dauert, kann verdorbenes Futter längere Zeit Probleme verursachen. Der Blindarm ist beim Kaninchen eine große Gärkammer, in der durch Mikroorganismen Fettsäuren, hochwertige Proteine und B-Vitamine hergestellt werden. Der sogenannte Blindarmkot, der meist nachts ausgeschieden wird, enthält diese Substanzen in großen Mengen. Dieser Kot ist weicher als normaler Kot, schleimüberzogen und sieht traubenförmig aus. Er ist für die Tiere lebenswichtig und wird vom gesunden Kaninchen direkt vom After aufgenommen und verzehrt.
Das wichtigste Nahrungsmittel für das Kaninchen ist Heu, das – ebenso wie frisches Wasser – den ganzen Tag in ausreichender Menge zur Verfügung stehen muss. Heu ist sehr rohfaserreich, energiearm und enthält wichtige Nähr- und Ballaststoffe. Für einen ausreichenden Abrieb der Backenzähne und eine geregelte Verdauung ist Heu als Hauptfutter der Kaninchen zwingend notwendig. Dabei muss auch auf die Qualität geachtet werden. Gutes Heu riecht aromatisch, ist grünlich und enthält Kräuter, Gräser und Blüten. Muffig-schimmeliger Geruch, Staubbildung oder eine ausgebleichte Färbung sprechen für schlechtes Heu, das nicht verfüttert werden darf. Ebenso sollte man bei gekauftem Heu im Beutel darauf verzichten die letzten Reste zu verfüttern, da sich am Boden die abgebrochenen kurzen Heuhälmchen sammeln, die zur Verstopfung führen können. Zur gesunden Ernährung gehört auch Grünfutter. Alle bisher nicht gefütterten Sorten müssen jedoch anfangs immer in kleinen Mengen angeboten werden, damit sich der Verdauungstrakt darauf einstellen kann. Verträgt das Kaninchen das neue Grünfutter, kann die Menge gesteigert werden. Geeignet sind Karotten, Äpfel, Gurken, Paprika, Karottenkraut, Gras, Löwenzahn, Salat (kein Rucolasalat). Dabei muss vor allem beim Salat auf ungespritzte Ware geachtet werden. Wegen dem hohen Nitratgehalt sollten auch nur kleine Mengen gewaschenen und abgetrockneten Salats gefüttert werden. Petersilie und Luzerne dürfen nur in kleinen Mengen gefüttert werden, sonst besteht die Gefahr von Harngriesbildung. Vorsicht ist auch bei Kohlsorten geboten, da sie bei vielen Kaninchen Blähungen verursachen. Nicht gut geeignet für die Ernährung sind die meisten Futtermittel die im Zoofachhandel oder Supermarkt als Kaninchenfutter angeboten werden. Getreidekörner sind sehr energiereich, rohfaserarm und werden zudem oft gepoppt und grün oder orange eingefärbt, um sie gesund und vielfältig aussehen zu lassen. Zudem enthalten die Futtermischungen oft Bäckereinebenerzeugnisse (Abfall aus der Backindustrie), Zuckerrohrmelasse (Abfall aus der Zuckerindustrie) und manchmal sogar tierische Nebenerzeugnisse (Abfall aus Fleisch- und Fischindustrie). „Leckerlies“ wie Joghurtdrops, Knabberstangen, Waffeln usw. enthalten Inhaltsstoffe wie Milchpulver, Honig, Zucker, Mehl oder tierisches Eiweiß, die in der Kaninchenernährung nichts zu suchen haben. Insgesamt haben Körnermischungen und Snacks mehrere Nachteile.
Körner werden im Maul nicht zermahlen sondern nur kurz zwischen den Backenzähnen zerquetscht und dann abgeschluckt. Da bei reichlicher Körnerfütterung meist wenig Heu gefressen wird, kann es wegen mangelndem Abrieb zu überlangen Zähnen, Zahnspitzen und Abszessen kommen. Der Pfeil zeigt einen überlangen Backenzahn im Unterkiefer dieses Kaninchens. Solche nicht abgenutzten Zähne behindern den gesamten Kaumechanismus des Kaninchens. In der Folge kommt es oft zu Verdauungsstörungen | |
Hier sieht man eine Zahnspitze eines Oberkieferbackenzahnes. Diese Spitzen schneiden regelrecht in die Backenschleimhaut und können so große Schmerzen verursachen, dass das Kaninchen die Nahrungsaufnahme einstellt. | |
Die Folge unbehandelter Zahnfehlstellungen (weißer Pfeil: die Schneidezähne) ist dann oft, dass die Zahnwurzeln den Kiefer durchstoßen (roter Pfeil) und es in der Folge zur Abszessbildung kommt (wolkiges Gewebe beim gelben Pfeil). Diese Abszesse bekommen auch wir trotz intensiver Therapie nicht immer in den Griff |
- Obwohl diese Futtermittel für den Verdauungstrakt nicht so gut geeignet sind, werden oft gerade bei Knabberstangen und Snacks zu große Mengen aufgenommen (ähnlich wie bei Kindern und Schokolade). Es kann zu Magenüberladung, Magenwandriss, Trommelsucht, Verstopfung oder Durchfall kommen.
- Leicht verdauliche Kohlenhydrate und Zucker führen zu einer Ansäuerung des Darminhaltes und damit zu einer Schwächung der normalen Darmflora. Jede kleine Erkrankung kann dann bei solchen Kaninchen durch ein „Kippen“ der Darmflora zu einer massiven Verdauungsstörung und sogar zum Tod führen.
- Die sehr kalorienreichen Futtermischungen und Snacks führen zu Übergewicht, Herz- und Leberverfettung, Bewegungsunlust und damit zu einer kürzeren Lebenserwartung.
Zusammenfassung
Den Kaninchen muss den ganzen Tag gutes Heu und frisches Wasser zur Verfügung stehen. Frisches Grünfutter sollte, nach Anfütterung in kleinen Mengen, 2 bis 3 mal täglich angeboten und das nicht gefressene bei der nächsten Fütterung wieder entfernt werden. Körnerfutter sollte entweder gar nicht oder nur in kleinen Mengen (max. 1 – 2 Teelöffel pro Tag und Kaninchen) gegeben werden. Tiere, die ihr Leben lang Körner zur freien Verfügung hatten, müssen vorsichtig auf kleinere Mengen umgestellt werden. Auf Snacks, Joghurtdrops und Knabberstangen sollte man im Sinne der Tiere völlig verzichten.
Haltung
Kaninchen sollten nicht alleine gehalten werden. Hält man gleichgeschlechtliche Tiere, entfällt die Sorge um unerwünschte Nachkommen. Bei einem Pärchen empfiehlt sich die rechtzeitige Kastration des Rammlers (ca. mit 4-5 Monaten), um Nachwuchs zu vermeiden. Auch Aggressivität und Harnspritzen sind Gründe männliche Kaninchen kastrieren zu lassen. Ein Meerschweinchen als Gefährte ist nur eine Notlösung für beide Seiten. Beide Arten haben eine sehr unterschiedliche Sprache und unterschiedliche Lebensgewohnheiten. Man kann zwar Kaninchen und Meerschweinchen zusammen halten, aber nur wenn es von jeder Tierart mindestens 2 Tiere sind und eine ausreichend große Fläche zur Verfügung steht. Kaninchen können im Haus und auch ganzjährig draußen gehalten werden. Im Haus sollte der Käfig an einer hellen, ruhigen und zugfreien Stelle stehen. Den Kaninchen sollte ausreichend Auslaufmöglichkeit unter Aufsicht (Gefahrenquelle: Kabel, giftige Pflanzen usw.!!) gewährt werden. Will man die Kaninchen ganzjährig draußen halten, muss im Winter auf einen zugfreien, gut isolierten Stall (um das Einfrieren von Wasser und Futter zu vermeiden) und genügend Einstreu geachtet werden. Diese Kaninchen dürfen nicht zum Spielen ins warme Haus geholt werden (Klimaschock).
Krankheiten
Es gibt zwei ansteckende Krankheiten, die für das zuhause gehaltene Kaninchen gefährlich werden können, die Myxomatose („Kaninchenpest“) und die Rabbit Hemorragic Disease (RHD, „Chinaseuche“). Da die Erreger unter anderem durch Insekten oder Heu übertragen werden können, und beide Krankheiten in den letzten Jahren in Gerlingen aufgetreten sind, ist es auch sinnvoll, reine Wohnungskaninchen zu impfen. Diese miteinander kombinierbaren Impfungen sollten im Frühjahr durchgeführt werden. Für weitere Informationen fragen sie uns bitte persönlich. Häufige Erkrankungen des Kaninchens sind Schnupfen, Augen-, Ohren- oder Blasenentzündung (evtl. mit Harngries), Parasiten (Milben, Läuse, Zecken, Flöhe, Würmer), Verletzungen (z.B. Beinbrüche durch Herabspringen vom Arm; Kinder sollten Kaninchen nicht herumtragen) und – vor allem beim alten Tier- Tumore. Am häufigsten treten aber beim Kaninchen Zahnprobleme und Verdauungsstörungen auf. Sie können durch fehlerhafte Fütterung (siehe oben), aber auch sekundär bei jeder anderen Erkrankung, die zu schlechter Futteraufnahme führt, entstehen. Oft ergeben sich dann sehr ernsthafte Störungen des Allgemeinbefindens bis hin zum Tod des Tieres. Da die Aussichten auf Rettung bei frühzeitiger Behandlung größer sind, wird ein Kaninchen, das nicht mehr frisst von uns als Notfall angesehen. Darum sollten sie sich in solchen Fällen umgehend an uns wenden.